Presse in Jena und anderswo über unsere Stadtführungen
Die Flausen treibt zuerst ihm aus!
Jena. (tlz) Mitten im Stadtzentrum, am helllichten Tag: Zwei Gestalten in schwarzen Roben, mit breitkrempigen Hüten und weißen Wagenradkragen machen sich mit Axt und Zange über einen Grünschnabel her. - Die Herren Professoren Victorinus Strigel und Johannes Stigel treiben dem angehenden Studiosus die vorakademischen Flausen aus. Die Hörner werden ihm, symbolisch, abgestoßen. Der Knabe erlebt seine Deposition. Derlei Szenen - bis ins 18. Jahrhundert hätte wohl kein Passant daran Anstoß genommen - werden in Jena wieder zu beobachten sein. Fanny Rödenbeck und Uta Lörzer schlüpfen in die Gewänder der beiden Gründungsprofessoren der Jenaer Universität. Die Gästeführerinnen haben einen Stadtrundgang ausgetüftelt, der sich mit studentischem Leben und akademischen Ritualen im ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit beschäftigt.
TLZ
Martialische Weihen
Der wohl merkwürdigste Brauch jener Jahre ist die so genannte Deposition, eine martialische Jünglingsweihe, der sich jeder angehende Student unterziehen musste. Sie sollte ihm die Untugenden der Knabenjahre austreiben. Dazu steckte man den armen Tropf in einen löchrigen roten Mantel, stülpte ihm eine behörnte Kappe über und gab ihm den so genannten Bachantenzahn in den Mund. Dann rückte ihm der Depositionsmeister, in der Regel war das der Dekan der philosophischen Fakultät, zu Leibe: Das Zahnziehen etwa steht für die Austreibung von Lastern wie übermäßiges Essen, übertriebenes Lachen, Lästern oder Lügen. Tausende Studenten mussten sich über die Jahre an der Salana der Prozedur unterziehen und anschließend den Depositor und die ganze Belegschaft der Fakultät zu einem zünftigen Umtrunk einladen.
Das ohnehin angsteinflößende und entwürdigende Zeremoniell konnte indes richtig unangenehm werden, wenn es die Depositoren aus purem Übermut gar zu toll trieben: "Manchmal mussten die jungen Männer übel stinkende Flüssigkeiten trinken oder Tabletten essen, die aus Tierkot gemacht waren", erzählt Fanny Rödenbeck. Derartige Unannehmlichkeiten braucht bei ihr freilich kein Gast zu fürchten. Eine Depositionsurkunde gibt es jedoch für den, der sich während der Stadtführung freiwillig dem nachgestellten Ritual unterzieht, dazu einen Becher Wein für jeden, das versprechen die beiden Damen. - Und natürlich einen erhellenden Stadtrundgang entlang diverser akademischer Tatorte: Haus zur Rosen, Accouchierhaus, Fechtmeister Kreusslers einstige Behausung, Collegium Jenense.
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Thüringer Landeszeitung (TLZ), Lokalteil Jena, 10.02.2008 Von Anja Blankenburg